Schifffahrt und Energie

Naturbelassene Flüsse sind häufig flach und kurvenreich. Da große Frachter in solchen Gewässern nicht fahren können, hat der Mensch die Flüsse begradigt und Wehre zur Regulierung des Wasserspiegels errichtet. Wehre können auch zur Energiegewinnung genutzt werden, bringen aber, ebenso wie die Begradigung der Flüsse, viele Herausforderungen für die Natur mit sich.

Die Moldau schlängelt sich in ihren naturbelassenen Abschnitten stark verschlungen durch den Böhmerwald - ein Bild, das selten geworden ist. | Foto: Pixabay

FlussaueNatürliche Flussaue | Foto: Pixabay

Wie sieht ein naturbelassener Fluss aus?

Flüsse gehören zu den Oberflächengewässern. Sie durchziehen in ihrem natürlichen Zustand unsere Landschaft wie wassergefüllte Adern. Ihr salzarmes Wasser ist die Grundlage für alles Leben: Pflanzen nutzen es für ihr Wachstum, Landtiere stillen damit ihren Durst und Fische finden darin einen Lebensraum.

Ein Fluss entspringt üblicherweise einer Quelle, bündelt das Wasser der Seitenarme und mündet schließlich ins Meer. Auf seinem Weg bewegt sich das Wasser im Fluss entlang des Gefälles der Landschaft vom höchsten zum niedrigsten Punkt. Das strömende Wasser hat eine große Kraft, mit der es selbst Sand und Steine bewegt, wodurch sich der Fluss in die Landschaft gräbt. Das Flussbett bildet dabei stark verschlungene und kurvige Abschnitte, sogenannte Mäander. Weil der Fluss die Sedimente ständig umlagert, verändert sich dieses Flussbett, das sich je nach Wasserstand auf eine Breite von wenigen hundert Metern bis zu einigen Kilometern ausdehnen kann.

Zu einem Fluss gehört allerdings mehr als nur der schnellfließende Strom: Wasserumflutete Inseln, Kiesbetten und Auen bieten vielen Lebewesen einen Rückzugsort. Flussauen sind Uferlandschaften, die von Hoch- und Niedrigwasser gekennzeichnet sind, und erfüllen wichtige Funktionen innerhalb des Flusses. Sie können im naturbelassenen Zustand große Wassermengen aufnehmen, und dadurch Hochwasser zurückhalten, und dienen gleichzeitig als Kohlenstoffspeicher.

RheinFrachter auf dem Rhein | Foto: 123rf

Warum sind die meisten Flüsse heute kanalisiert?

Flüsse sind bereits seit vielen Jahrhunderten wichtige Transportwege, denn lange Zeit waren Schiffe die einzigen Transportmittel, die für den regionalen Gütertransport sowie als Verbindung zwischen den Meeren genutzt werden konnten. Auch heute ist die Schifffahrt mancherorts für den Transport von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl und Produkten aus der Elektroindustrie und Landwirtschaft noch sehr bedeutend.

Allerdings bereiten viele natürliche, kurvenreiche Flüsse, deren Wasserstand ständig variiert, der Schifffahrt Probleme: Große Frachtschiffe können in den vielfältigen Gewässern nicht fahren, da sie in engen Kurven und flachen Abschnitten stecken bleiben. Deshalb hat der Mensch die Flüsse vertieft und begradigt. Hierfür werden die kurvigen Abschnitte des Flusses durchstochen, um die Bögen und Schlaufen zu beseitigen, und Seitenarme abgeschnitten. Diese Eingriffe führen dazu, dass sich die Wassertiefe erhöht und die Schiffe schwerer beladen werden können. Gleichzeitig steigt die Fließgeschwindigkeit der Flüsse, die nicht mehr an den Kurven ausgebremst werden. Daher müssen Buhnen gebaut und die Ufer befestigt werden, um zu vermeiden, dass das Wasser aus dem Flussbett austritt.

StaudammStaustufen | Foto: Pixabay

Um Flüsse schiffbarer zu machen, werden außerdem Staudämme und Wehre gebaut, die es ermöglichen, den Wasserstand eines Flusses nach Bedarf zu regulieren. Solche Bauwerke dienen auch der Energiegewinnung: An den Staustufen wird das Wasser über Turbinen oder Wasserräder geleitet, wodurch diese in Bewegung versetzt werden. Auf diese Weise wurden schon früher Mühlen zum Mahlen von Korn betrieben – heute erzeugen wir so Strom.

Der Ausbau von Schifffahrt und Wasserkraft ist verantwortlich dafür, dass Baumaßnahmen an Fließgewässern im letzten Jahrhundert immer häufiger stattfanden: Natürliche Flüsse gibt es in Deutschland heute nicht mehr. An ihre Stelle ist der „Kulturstrom“ getreten, der die verschiedenen Nutzungen der Schifffahrt und Energieerzeugung vereinen soll. Die Begradigung der Oder wurde schon vor ungefähr 300 Jahren begonnen – die heutige Oder ist um fast ein Drittel ihrer Lauflänge kürzer als zuvor.

MeißenHochwasser in Meißen | Foto: Pixabay

Welche Nachteile bringt ein verbauter Fluss mit sich?

Das Abschneiden von Seitenarmen und Durchstechen der Fließgewässer führt dazu, dass Seitenarme austrocknen, wodurch der Fluss Wassermasse und zahlreiche Lebensräume wie Flussauen und Mäander verliert. Zusätzlich verkürzt sich durch die Flussbegradigung die Dauer der natürlichen Überschwemmungen. Dadurch verschwindet der Lebensraum von Fische, die in solchen Überschwemmungszonen laichen oder aufwachsen.

Weil das Wasser begradigter Flüsse nicht an den Kurven ausgebremst wird, nimmt die Fließgeschwindigkeit zu. Arten, die Stillwasser bevorzugen, verlieren damit ihren Lebensraum. In schnell fließenden Flüssen erhöht sich außerdem die Erosion. Das bedeutet, dass Kiesel mit dem strömenden Wasser gerissen oder mit Sand überlagert werden. Viele Fische, wie etwa der Stör, nutzen kieselige Abschnitte des Flusses als Laichplatz, die in begradigten Flüssen verloren gehen.

Die Flussbegradigung bereitet aber nicht nur den Wasserbewohnern Probleme: Für den Menschen steigt die Hochwassergefahr. Verantwortlich dafür ist das Zusammenspiel aus steigendendem Wasserspiegel, zunehmender Strömungsgeschwindigkeit und dem Verlust der Flussauen. In einem schnell strömenden Fließgewässer könnten Auen dafür sorgen, übertretendes Wasser aufzufangen. Durch den Verlust der Auen verliert die Landschaft ihre Fähigkeit, Wasser aufzunehmen. Stattdessen wird überschüssiges Regenwasser schnell in den nächsten Fluss geleitet, sammelt sich an den Zusammenflüssen und es bauen sich Hochwasser auf.

Um jährliche Überflutungen zu vermeiden, werden Deiche und Wehre gebaut. Aber auch diese Maßnahmen bereiten Probleme: Deiche führen dazu, dass dem Fluss weniger Raum zur Verfügung steht und weitere Flussauen abgeschnitten werden. Wehre, die dazu dienen sollen, den Wasserspiegel der Flüsse zu regulieren und gleichzeitig der Energiegewinnung dienen, bieten ebenfalls nur begrenzte Sicherheit. Sie weisen keine unendliche Kapazität auf, um das überschüssige Wasser zu speichern. Stattdessen haben sie für viele Flussbewohner schwere Folgen. Insbesondere die Wanderung vieler Fische ist durch die Wehre behindert. Außerdem müssen sich die Wanderfische auf ihrer Reise ständig an veränderte Fließgeschwindigkeiten anpassen: Während in frei fließenden Abschnitten begradigter Flüsse sie Strömung hoch ist, nimmt sie im Staubereich der Wehre stark ab. Diese Herausforderungen beeinträchtigen die beschwerliche Reise der Wanderfische zusätzlich. Es sollte daher versucht werden, die Eingriffe in die Flüsse rückgängig zu machen.

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