Der Stör

Der Stör ist unser größter einheimischer Süßwasserfisch. Er kann bis zu 150 Jahre alt und über fünf Meter lang werden. Seine Kinderstube liegt in den großen Flüssen, die er verlässt, wenn er ins Meer abwandert. Nur zur Fortpflanzung wandert er vom Meer den langen Weg zu seinem Geburtsort im Fluss zurück. In Deutschland gilt der Stör seit 40 Jahren als verschollen oder ausgestorben.

Ein Europäischer Stör: Auf der Unterseite seines Kopfes befindet sich das ausstülpbare Maul, mit dem er seine Nahrung vom Meeresgrund aufsaugt. Die Bartfäden vor seinem Maul helfen ihm beim Ertasten und Schmecken seiner Nahrung. | Foto: Solvin Zankl

Wer ist der Stör?

Störe sind urzeitliche Wesen: Sie leben seit etwa 200 Millionen Jahren auf der Erde und haben seither große Veränderungen wie die Kontinentaldrift, das Einschlagen von Meteoriten oder den Wechsel zwischen Eis- und Trockenzeiten überstanden. Den Stör gab es sogar schon, als die ersten Dinosaurier die Erde besiedelten. In dieser langen Zeit hat sich ihr Aussehen kaum verändert. Sein Skelett besteht nicht aus Knochen, sondern wurde wie bei den Haien durch ein Knorpelskelett ersetzt. Anders als andere Fische hat der Stör keine Schuppen sondern eine glatte, dicke Haut, die mit fünf Reihen aus Knochenplatten besetzt ist. Dieser Knochenpanzer schützt die Störe gegen ihre Fressfeinde.

Der Europäische Stör kann ein Alter von 150 Jahren erreichen und wird damit fast doppelt so alt wie die meisten Menschen. Auch im Vergleich zu anderen heimischen Fischen wie der Barbe oder der Bachforelle, die gerade mal 20 Jahre alt werden, ist das ein ungewöhnlich langes Leben. Die größten Exemplare unser einheimischen Störe wurden über 5 Meter lang und wogen bis zu 800 Kilogramm - so viel wie ein kleines Auto.

Viele Störarten wandern zwischen Meer und Fluss, so auch unsere beiden heimischen Arten – der Europäische und der Baltische Stör. Störweibchen legen ihren Laich im Frühsommer in kiesigen Flussabschnitten ab. Nur wenige Tage nach der Befruchtung schlüpfen die Larven und finden zwischen Kieseln Schutz, während sie sich von ihrem Dottervorrat ernähren. Sobald dieser Vorrat aufgezehrt ist, machen sich die Jungfische auf den Weg flussabwärts, um Nahrung zu suchen. Diese Reise durch den Fluss dauert etwa zwei Jahre. Dann ist der Stör in der Lage, den Salzgehalt seines Körpers nicht nur im Süß-, sondern auch im Salzwasser zu regulieren und wandert ins Meer. Hier angekommen, ernährt er sich von Würmern und Schnecken auf dem Boden: Zähne hat der Stör nicht, dafür aber ein ausstülpbares Maul. Seine Beute kann er mithilfe langer Barteln an seinem Maul „vorschmecken“, bevor er sie verzehrt. Bis zu seiner Geschlechtsreife die er erst mit 15 Jahren erreicht, bleibt der Stör im Meer. Dann kehrt er zurück in den Fluss und schwimmt diesen aufwärts bis zu seinem Geburtsort, um nun selbst zu laichen. Den findet der Stör mithilfe seines guten Geruchs- und Orientierungssinns. Diese Wanderung kann ein Störweibchen bis zu seinem Lebensende viele Male wiederholen.

Der Stör | Graphik: Christiane John

Der Lebenszyklus des Störs | Graphik: Christiane John

Warum ist der Stör bedroht?

Störe leben und wandern schon seit Millionen Jahren durch unsere Flüsse und Meere und lange konnte ihnen keine Gefahr etwas anhaben. Noch vor etwa 150 Jahren waren deutsche Flüsse wie die Elbe und Oder reich an Stören. Erst seit der Mensch immer stärker in die Natur eingreift, ist dieser widerstandsfähige Fisch bedroht – in unseren Gewässern gilt der Stör seit etwa 40 Jahren sogar als ausgestorben.

Mit Beginn der Industrialisierung nahm die Verschmutzung der Gewässer durch Abwässer aus Landwirtschaft, Industrie und privaten Haushalten zu. Gleichzeitig werden noch heute Gewässerabschnitten oder ganze Flüsse kanalisiert, um diese für große Frachtschiffe befahrbar zu machen. Diese Eingriffe haben dazu geführt, dass der Stör seinen natürlichen Lebensraum und seine Laichplätze verloren hat. Der Bau von Deichen und Wehren an Küsten und Flüssen blockiert zusätzlich die Wanderung des Störs. Der Bau eines Dammes bei Nordfeld führte beispielsweise zur Zerstörung des letzten Laichgebietes der Störe in der Eider, weshalb es nur 33 Jahre dauerte, bis der letzte Stör aus diesem Fluss verschwunden war. Von den menschlichen Eingriffen ist nicht nur der Stör betroffen, sondern auch viele alle Wanderfische wie Lachs, Maifisch und Stint. Allerdings sind Schutzmaßnahmen wie der Bau von Fischtreppen zur Überwindung von Stauanlagen häufig nur für kleinere Fische konstruiert. Einem ausgewachsenen Stör gelingt der Aufstieg nur, wenn die Fischtreppe auf seine Größe ausgerichtet wird.

KaviarKaviar | Foto: Pixabay

Der Stör gehörte aufgrund seines hohen Eiweißgehaltes lange Zeit zu den beliebtesten Speisefischen, weshalb die Tiere in großer Zahl gefangen wurden. Häufig wurden insbesondere laichfähige Weibchen gefischt. Ihnen entnahm man den Rogen, um aus ihren Eiern Kaviar zu machen, eine teure Delikatesse. Weil Störe, anders als die meisten Fische, erst sehr spät geschlechtsreif werden und nur wenige Male in ihrem Leben laichen, führt der Fang laichfähiger Weibchen schneller zum Einbruch der Population.

Heute gelten weltweit alle 27 Arten als gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Verbreitungsgebiet

Verbreitungsgebiet des Störs | Quelle: Gesellschaft zur Rettung des Störs

Ist der Stör noch zu retten?

Frühe Bemühungen zum Schutz der Störe waren die Einführung von Fangmeldungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Durch die Beobachtung des Bestandes konnte festgestellt werden, dass die Fangmenge der Störe im Jahr 1910 nur noch 1% von dem betrug, was noch 20 Jahre zuvor gefangen wurde. Diese Aufzeichnungen konnten den Stör nicht davor bewahren, dass 1985 das letzte Exemplar gefangen wurde. Aber sie legten den Grundstein für das Monitoring der Störpopulationen und die Zusammenarbeit zwischen Fischereiverbänden und Forschungsinstituten.

Heute können Angler und Forscher mithilfe von Markierung erkennen, ob sich der Störbestand erholt. Außerdem erfahren sie, wohin die Reise der Störe sie führt. Dadurch lernen sie mehr über die Lebensräume und Lebensweise dieser uralten Fische. Auf Grundlage dieser Kenntnis können weitere Schutzprogramme etabliert werden. Hierzu gehören Ansätze zur Renaturierung von Gewässern, um die Lebensräume der Störe wiederherzustellen. Sobald die Lebensgrundlagen der Fische gesichert sind, können auch Programme zur Stabilisierung der Populationen wie der Besatz Erfolg haben. Um den Stör langfristig zu erhalten, müssen viele Akteure aus Politik, Forschung, Fischerei und Bevölkerung zusammenarbeiten.