Besatz

Um zu verhindern, dass die biologische Vielfalt weiter abnimmt, wurden verschiedene Ansätze entwickelt. Einer davon ist der Fischbesatz: Hierfür werden Fische aus der Zucht in ihren natürlichen Lebensraum überführt. Damit diese Fische sich langfristig selbst erhalten können, müssen zunächst die Ursachen ihrer Gefährdung wie Lebensraumzerstörung und übermäßige Fischerei bekämpft werden.

Damit Artenschutzprogramme wie der Fischbesatz funktionieren, müssen alle mitanpacken: Schüler*innen schicken den Stör auf die Reise, damit er in 10-20 Jahren zurückkehrt, um für Nachwuchs zu sorgen. | Foto: Winfried Mausolf, Frankfurt (Oder)

Fischereihof BBMAufzuchtbecken für Jungstöre

Was bedeutet Fischbesatz?

Das Einsetzen von Fischen in Gewässer, in denen diese natürlicherweise leben oder gelebt haben, wird Besatz genannt. In Deutschland wird der Besatz mit allen heimischen Fischarten durchgeführt - dazu gehören neben dem Karpfen, der Europäische Aal, der Europäische und der Baltische Stör und viele mehr. Eine Genehmigung für den Fischbesatz ist bei heimischen Arten nicht nötig. Nur bei Arten, deren Herkunft strittig ist, muss von der Fischereibehörde der Region die Erlaubnis für den Besatz erteilt werden.

Die Fische können in unterschiedlichen Altersstadien besetzt werden und kommen entweder aus einem anderen Gewässer oder werden in Zuchtanlagen herangezogen. Für die Zucht werden Elterntiere benötigt, die sich in großen Aquarienbecken fortpflanzen und für Nachwuchs sorgen. Anschließend wachsen die jungen Fische in den Becken bis zu einem bestimmten Alter heran. Um zu vermeiden, dass den Fischen ihr natürlicher Lebensraum fremd ist, werden die Becken während der Aufzucht mit natürlichem Wasser aus dem zukünftigen Lebensraum der Fische gefüllt. So gewöhnen sich die jungen Fische bereits an den Geruch ihrer Umwelt und Feinde und können diese bei einer echten Begegnung erkennen.

Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich ältere Fische möglicherweise an ein Leben im Aufzuchtbecken gewöhnt haben und in natürlicher Umgebung nicht wissen, wie sie Nahrung finden können und Gefahren ausweichen sollen. Der Vorteil von einem Besatz mit älteren Fischen ist jedoch, dass sie aufgrund ihrer Körpergröße besser vor Fressfeinden geschützt sind. Diese Risiken müssen für jede Art spezifisch abgewogen werden - wie etwa für den Stör, der in verschiedenen Altersstadien besetzt wird. Mithilfe von Daten über die Überlebenschancen der besetzten Störe können Wissenschaftler herausfinden, ob die wenige Wochen alten Larven sich besser in dem neuen Lebensraum zurechtfinden oder Jungfische, deren Wachstum so weit fortgeschritten ist, dass ihre Knochenplatten sie vor Fraßfeinden schützen.

Europäischer Stör

Stör mit Markierungsnummer | Foto: C. Pusch

Warum werden Fische besetzt?

Viele Fischbestände sind heute durch verschiedene Umwelteinflüsse wie Lebensraumverlust, Gewässerverschmutzung, Kanalisierung oder Überfischung bedroht. Um diese Bestände vor dem Aussterben zu schützen, sorgen Angler und Fischereiverbände dafür, dass die Fische unter kontrollierten Bedingungen gehalten, vermehrt und in die Gewässer gesetzt werden. Ziel dabei ist es, eine stabile Population der Fische aufzubauen, die sich in Zukunft selbst erhalten kann. Dieser Ansatz soll auch dazu beitragen, dass der in Deutschland ausgestorbene Stör in unsere Flüsse zurückkehrt. Bisher wurden schon etwa zwei Millionen Störe in heimischen Gewässer ausgesetzt. Derzeit gibt es Meldungen von Stören, die es auf ihrer Wanderung bis nach Dänemark und Schweden geschafft haben. Nun bleibt zu hoffen, dass sie in zehn bis zwanzig Jahren in unsere Flüsse zurückkehren, um Nachwuchs zu zeugen.

Der langfristige Schutz gefährdeter Fischarten ist allerdings nicht der einzige Grund für den Besatz. Viele Angler und Fischer haben ein kurzfristiges Ziel vor Augen: Sie setzen die Fische aus, um ihren Fangerfolg zu vergrößern. Das gilt zum Beispiel für den Karpfen, der sich nur in Zuchtanlagen vermehrt, da die Temperaturen in natürlichen Gewässern für seine Fortpflanzung zu niedrig sind. Eine Bestandserholung durch Besatz ist bei solchen Fischen aussichtslos, dennoch werden jährlich zahlreiche Karpfen in deutschen Gewässern besetzt.

Gemeinsam mit Anglern und Fischereiverbänden arbeiten Wissenschaftler momentan an einer Lösung, die beide Ansätze verknüpft: Ziel ist es, dass der Besatz zur Erholung der Fischbestände führt und damit einen großen Beitrag zum Artenschutz leistet. Erst wenn sich die Fische wieder in unseren Seen und Flüssen tummeln, können auch die Fangerfolge der Fischer und Angler steigen. Bis dahin muss der Fang stark bedrohter Arten wie dem Stör verboten bleiben.

Jonas Gustafsson

Besatz von baltischen Jungstören | Foto: J. Gustafsson

Ist Besatz die einzige Lösung?

Die Ursachen der Bedrohung verschiedener Fischarten sind vielfältig und legen fest, wie diese geschützt werden können. Dort, wo der Fortbestand einer Art durch eine geringe Anzahl an Elterntieren gefährdet ist, kann der Mensch den Bestand mit Besatzaktionen gezielt aufstocken. Oftmals sind Fischbestände aber durch die Vernichtung von Lebensräumen durch Gewässerverbauung und Verschmutzung bedroht oder wurden durch die industrielle Fischerei vernichtet. In solchen Fällen kann der Besatz nicht die einzige Lösung sein!

Ein Beispiel hierfür ist der Hecht: Er pflanzt sich in Gewässerregionen mit vielen Unterwasser- und Uferpflanzen fort, die den Jungfischen Schutz vor anderen Raubfischen bieten. Da die meisten heimischen Gewässer heute stark ausgebaut sind, bieten sie den jungen Hechten keine Unterschlupfmöglichkeiten. Ein Besatz mit Jungfischen wäre im Falle des Hechts nutzlos, solange seine Lebensräume nicht wiederhergestellt sind. Ähnliches gilt für Wanderfische wie den Stör, die ihr Leben in verschiedenen Gewässerregionen verbringen, und damit auf den Schutz vielfältiger Lebensräume sowie deren Durchwanderbarkeit angewiesen sind. Auch hier gilt, dass die ausgesetzten Fische sich nur dann erfolgreich vermehren werden, wenn die Gewässer wieder in Stand gesetzt sind.

Daher müssen Experten aus der Forschung mit Fischerei- und Anglerverbänden die zukünftigen Lebensräume der Fische - lange Zeit bevor diese besetzt werden - untersuchen. Gemeinsam gewinnen sie einen Einblick in die Lebensweise der Fische und beobachten, in welchen Gewässerabschnitten die Fische Leben, wo sie laichen und wovon sie sich ernähren. So können Wissenschaftler und Fischer beurteilen, ob die Bedingungen für einen erfolgreichen Besatz gegeben sind. Oft werden die Probleme eines Gewässers aber erst im Verlauf der Besatzarbeiten und ihrer Kontrolle – dem Monitoring – bemerkt werden. Dann müssen Arbeiten zur Verbesserung des Gewässers besatzbegleitend stattfinden.

Störfang

Illegaler Fang eines Ostseestörs

Wenn Maßnahmen zur Renaturierung der Gewässer zusammen mit Besatzaktionen durchgeführt werden, besteht die Hoffnung auf eine Erholung des Fischbestandes. Allerdings sind selbst in solchen Fällen die Erfolgsaussichten des Besatzes schwer vorherzusagen. Das liegt zum einen daran, dass die Wechselwirkungen der Besatzfische in freier Wildbahn zu komplex und vielschichtig sind. Das Überleben der Fische hängt davon ab, ob sie von Krankheiten befallen werden und ob sie in der Lage sind, um Nahrung zu konkurrieren und Fressfeinden auszuweichen. Zum anderen kann legale sowie illegale Fischerei dazu führen, dass sich der Bestand der Fische trotz optimaler Bedingungen für den Besatz nicht erholt. Angler und Fischer sollten sich daher darüber informieren, ob das Tier an ihrer Angel unter Artenschutz steht und wie im Falle des Störs nicht aus dem Gewässer entnommen werden darf - egal in welchem Zustand!

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